Sex mit Sophie: Das Problem ist nicht die Wiederholung

Es gibt Dinge, die sind immer wieder schön: schnurrende Katzen, belgische Borkenschokoladen-Trüffel oder ein gegenseitiger Chamäleon-Zungen-Wettbewerb bei der 69 zum Beispiel.

Anfangs kann man gar nicht genug bekommen. Aber irgendwann rückt sie dann an wie das unvermeidliche Putzkommando eines Pornokinos im Morgengrauen: die Langeweile. Jeder noch so attraktive, noch so heiße, noch so geliebte Mensch wird irgendwann öde und jeder noch so wunderbare Sex verwandelt sich in ein zähes, graues Gähnen. Das ist ein Naturgesetz. So stehts in allen Illustrierten, also muss es ja wahr sein. Ich bin eine friedliebende Frau, aber ich kann kaum beschreiben, wie nervig ich diese Leier finde. "Liebe Briefkastentante, mein Ehemannhat im Bett die Leidenschaft eines platt gefahrenen Waschbären." Oder: "Zehn Tipps, damit die Liebe auch im kritischen dritten Jahr noch heiß wie Frittierfett bleibt."

Dass Liebe zwangsläufig fad wird und dass man dann die Anstrengung eines Ironman-Kampfes investieren muss, um sie wieder auf Hochtouren zu bringen, ist ein Mythos, groß wie King Kong und mindestens ebenso hässlich. Und er funktioniert ziemlich perfide: 1. Phase: allen nicht glücklich liierten einreden, nur das Unbekannte sei spannend und nur die Überraschung das große Glück. Das erste Mal, egal wobei, ist der Höhepunkt, danach geht es nur noch bergab. 2. Phase: glücklichen Menschen einreden, dass die Leidenschaft vergehen muss. Zwangsläufig. 3. Phase: krampfhafte Wiederbelebungsversuche der Anfangsleidenschaft, die an einen defekten Defibrillator in "Scrubs" erinnern.

Das große Missverständnis: Zeitschriften, Talkmasterinnen und Sexratgeberautorinnen behaupten, das Problem sei die Wiederholung. Die Lösung ist demzufolge das Neue. Also rüsten die sexwilligen Paare auf: Man kauft die Lack- und Leder-Streckbank mit Extra-Spikes, macht einen Windelkurs für klitschkogroße Babys, lernt Bondage und treibt es im Paternoster des Finanzamtes. Man treibt es überall und in allen Stellungen, bittet Karlheinz von nebenan dazu oder entblößt sich im Streichelzoo vor den spuckenden Lamas. Das mag ja alles mehr oder weniger interessant sein, es hat nur einen Nachteil: Egal was man tut, irgendwann wird es Routine. Selbst wenn man sich von onanierenden Zwergen ans Kreuz nageln lässt: Nach ein paar Malen kennt man die Zwerge.

Und wenn alles bekannt ist, lauert auch nach heißesten Sex-Raffinessen wieder die Eintönigkeit. Das heißt ja nicht, dass man nichts mehr ausprobieren soll. Wenn man es nicht als Allheilmittel für ein laues Triebleben sieht, kann das ja ganz witzig sein. Neulich rief zum Beispieleine große deutsche Frauenzeitschrift zum Angriff der Geishas auf. Asia-Sex. Warum nicht, dachte ich und entrümpelte das Schlafzimmer.

Nach schweißtreibenden zwei Stunden war es so asketisch leer geräumt und japanisch dekoriert, wie die Autorin sich das vorgestellt hatte. Dem irritierten Liebsten, der mich in meinem viel zu großen Kimono wohl für eine schlechte Kopie von Obi-Wan Kenobi hielt, machte ich klar, dass jetzt exotische Liebeskunst angesagt war, warf ihn aufs Bett und mich obendrüber. "Oh benetze mit deinem Tau meine Kirschblütenknospen", säuselte ich den Anregungen der Zeitschrift folgend und knietemich über ihn, womit ich statt strömenden Ejakulats aber nur pubertäres Gegacker hervorrief. "Ich werde meinen Panda dein Samuraischwert begrüßen lassen", ich senkte kreisend mein Becken, "damit du die kostbare Jadeperle im heiligen Schrein findest." Sein Samuraischwert sah nicht besonders kampfbereit aus und meine Jadeperle fühlte sich auch eher wie eine Erbse mit Migräne. Weder die"Erklimmung des Berges von Gion" noch das"Spiel mit der Schärfe des Wasabi" brachte uns der Ekstase näher, und ich fragte mich langsam, wieviel Sake man wohl intus haben muss, um diese Nummer geil zu finden. So einigten wir uns kurzerhand auf unsere übliche Lieblingsstellung: Geisha kniend, die heiligen Schneeberge von Tokio hoch in die Luft und vorn auf der Schulter liegend, weil ich so am besten die Jadeperle mit den lieblichen Fingerspielen der Schleierfische um kreisen kann.

Und während wir uns so ganz banal zurück nach Westeuropa fickten und die Yin-Yang-Kugeln seines Samuraigehänges ganz ohne meditatives Geläut im Rhythmus gegen die Öffnung meines wundertätigen Schreins stießen, musste ich plötzlich an Schweinefleisch süßsauer denken und dass das bei Chen Loh um die Ecke schmeckt wie frittierter Rüssel. Mein folgender Lachkrampf war im Skript der Frauenzeitschrift nicht vorgesehen, und nur intensives gemeinsames Denken an die überaus scharfe Lucy Liu, die in einem scharfen schwarzen Latex-Catsuit nackt und schwitzend und natürlich breitbeinig auf einem vibrierenden Motorrad sitzt und sich langsam schaukelnd am Leder reibt, brachte mich beim Fest des großen Drachen bis zum Feuerwerk.

Was also tun, damit es immer zum Funken sprühenden, infernalisch geilen Anfangssex kommt? Es müssen die kleinen Freuden sein. Die Nebensächlichkeiten. Das, was verschütt gegangen ist bei allmorgendlichem gemeinsamen Zähneputzen. Nicht die Dinge, die man zu viel getan hat, sind Schuld an der Unlust, sondern die, die man im Alltag gelassen hat. Sich Ewigkeiten tief in die Augen zu sehen. Im Hausflur zu knutschen, bis die Nachbarn rebellieren. Die Tagesschau, den Anruf der Mutter, das Ping der Mikrowelle zu ignorieren, weil sich die Zunge gerade so nett in der Ohrmuschel zu schaffen macht. Mal Körperteile des Partners anzufassen, einfach weil sie schön sind und nicht, weil man sie zum Sex braucht. Die Kniekehlen zum Beispiel, die Fußknöchel, das Stückchen hinter der Ohrmuschel, bevor der Haaransatz anfängt. Miteinander flüstern. Sich anrufen. Zettelchen hinterlassen. Unterm Tisch die Hand auf den Oberschenkel legen. All diese Kleinigkeiten, die man macht, wenn man vor lauter Verliebtheit kaum aufrecht stehen kann.

Und was die Langeweile angeht: Ich glaube nicht, dass etwas wirklich Schönes schlechter wird, nur weil man es zu oft tut. Schnurrende Katzen zum Beispiel sind immer großartig. Und auch der Asia-Sex war witzig, weil er uns klar gemacht hat, dass es schon einen Grund hat, dass wir Sex haben, wie wir ihn haben. Letztendlich lagen wir keuchend da und teilten uns nach all den Strapazen eine Packung Glückskekse. Und die haben wir einfach weggeknabbert und nicht etwa mit Stäbchen aus irgendwelchen Körperöffnungen geklaubt.

 

AUS: SOPHIE ANDRESKY „ECHTE MÄNNER. WAS FRAUEN WIRKLICH WOLLEN“. © 2008, BY ZWEITAUSENDEINS VERSAND DIENSTE GMBH, WWW.ZWEITAUSENDEINS.DE