Unser Verhältnis zu Kunststoff ist zwiespältig. Täglich nutzen wir Plastik, schätzen es aber kaum. Beispiel PET-Flaschen: Praktisch in der Handhabung, doch meist als bloße Wegwerfprodukte gesehen – und störend, wenn sie als Müll wieder auftauchen.
Um die wahre Bedeutung einer Sache zu erkennen, lohnt oft der Blick über den Tellerrand hinaus – für das Thema Plastik sogar zu den Sternen. Denn dort werden wir tatsächlich fündig. „Ohne Kunststoff geht in der Raumfahrt nichts“, sagt Alexander Ihle, Structural Engineer bei der European Space Agency (ESA) und zuständig für Erdbeobachtungsmissionen.
Wie Kunststoff den Weltraum erobert
Im ersten Augenblick klingt es ungewöhnlich, doch was Kunststoffverpackungen auf der Erde bereits auszeichnet, macht sich auch die Raumfahrtindustrie zunutze – sie setzt vermehrt auf die charakteristische Kombination aus Leichtigkeit und Stabilität. Und das sowohl zur Konstruktion von Raumschiffen als auch für die Verpflegung der Raumfahrer. Deren Nahrung befindet sich nämlich gefriergetrocknet und entwässert in Plastikbeuteln mit angeheftetem Strohhalm.
Und wie bei uns auf der Erde, ermöglichen die Kunststoffver-
packungen durch Schutz und Haltbarmachung auch im All eine große Auswahl an Getränken und Lebensmitteln. „Man muss sich nur anschauen, was die ersten Astronauten zur Verfügung hatten und was sie jetzt auf der Raumstation ISS an Verpflegung bekommen. Neil Armstrong hätte sich vermutlich nicht träumen lassen, dass ein solches Angebot möglich ist. Da spielt der Kunststoff schon eine recht große Rolle“, sagt Hendrik Weihs, Ingenieur und Leiter der Abteilung Raumfahrt beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR).
Stabilität und Effizienz im All
Doch nicht nur zur Ernährung der Astronauten sind Verpackungen aus Kunststoff unverzichtbar, das Material spielt auch zunehmend eine tragende Rolle beim Bau der Raketen. „Das fängt mit Klebstoffen an“, erzählt ESA-Strukturingenieur Alexander Ihle, „und geht bei Folien aus Kunststoff weiter. Die braucht man bei Raumfahrtsystemen beispielsweise als Sonnenschutz.“ So auch für die Konstruktion spezieller Elemente, wie Alexander Ihle erläutert: „Wir nutzen faserverstärkte Kunststoffe, um Bauteile zu fertigen, die sowohl leicht und beständig sind als auch eine hohe Temperaturbelastbarkeit aufweisen.“
Nicole Thalhofer, Leiterin Raumfahrt beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) betont: „Die Verwendung von Plastik und Kunststoffen im All hat die Effizienz von Raumfahrtmissionen erheblich gesteigert.“ Sie nennt ein Beispiel: „Die ArianeGroup arbeitet derzeit an ICARUS, einer innovativen Raketenoberstufe aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK).“ Und weist auch auf die weiteren Einsatzbereiche hin: „Kunststoffe sind nicht nur in Strukturbauteilen zu finden, sondern auch in rein funktionalen Komponenten wie Isolierungen und Dichtungen.“