Patrick Vierveijzer, Strategischer Berater bei Fixico, gibt einen Leitfaden und Hilfestellung bei der suche nach der richtigen Werkstatt.
Jedes Jahr bringen Autohersteller neue Technologien für ihre Fahrzeuge auf den Markt. Das bedeutet wiederum für Werkstätten, dass sie mit der Entwicklung der Reparaturtechnik Schritt halten müssen. Nur so können sie auch weiterhin das Gros anfallender Kfz-Schäden reparieren und wettbewerbsfähig bleiben. Die notwendigen Anpassungen bedeuten für Werkstätten aber auch immer großen finanziellen und zeitlichen Aufwand: Personal muss geschult und neues Werkzeug angeschafft werden, zudem sind zusätzliche Zertifizierungen für Reparaturen nötig. All diese Entwicklungen haben dafür gesorgt, dass Reparaturen an neueren Fahrzeugen teurer geworden sind. Laut einer Datenerhebung der digitalen Autoreparatur-Plattform Fixico sind die durchschnittlichen Reparaturkosten für einjährige Fahrzeuge von 2016 bis 2019 um 29 % gestiegen.
Das Thema E-Mobilität bleibt weiterhin ein wachsender Trend in der Automobilindustrie und es ist unwahrscheinlich, dass sich die rasante Entwicklung in naher Zukunft verlangsamen wird. Elektrofahrzeuge werden aufgrund ihres geringen Energieverbrauchs und sinkender Preise immer beliebter. Gleichzeitig nimmt aber auch die Komplexität ihrer Reparaturen weiter zu, was ebenfalls zu höheren Kosten und längeren Reparaturdauern führt. Glücklicherweise gibt es aber verschiedene Ansätze, die letztendlich zu einer Reduzierung dieser Kosten führen. Folgende Punkte sollten Sie bei der Reparatur von Elektrofahrzeugen beachten:
1. Die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen bei Hochspannungsbatterien
Die meisten E-Autos werden mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben. Deren Austausch ist teuer, die sichere Handhabung der Batterien erfordert zusätzliche Kompetenzen. Fehlt Werkstätten beim Umgang mit Elektrofahrzeugen die Qualifikation, besteht die Gefahr, dass der Akku bei der Reparatur beschädigt wird. Außerdem können sich Mechaniker und andere Werkstattmitarbeiter beim falschen Umgang mit diesen Batterien verletzen. Selbst wenn der Akku gar nicht beschädigt ist, muss sich die Werkstatt trotzdem oft mit diesem auseinandersetzen. Beispielsweise dann, wenn diese Batterie aus dem Fahrzeug ausgebaut oder vom System getrennt werden muss, weil das gesamte Fahrzeug neu lackiert werden soll. Zum Trocknen des Lacks werden Fahrzeuge normalerweise unter große Wärmelampen gestellt. Bei eingebauter Batterie besteht dann die Gefahr, dass sie durch die Lampen überhitzt und beschädigt wird. Spezielle Trainings, Ressourcen und Zertifizierungen sind deshalb notwendig. Soweit die Theorie, die Praxis sieht allerdings anders aus, was die Suche nach einer geeigneten Werkstatt erschwert. Aufgrund der Batterien und anderer hochentwickelter Bauteile, die eine Reparatur des Elektrofahrzeugs kompliziert machen, steigen natürlich auch die Kosten. Hinzu kommt, dass notwendige Sicherheitsmaßnahmen zu längeren Reparaturdauern führen können. Dies resultiert wiederum in längeren Zykluszeiten und damit in einem längeren Fahrzeugstillstand.
2. Der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen
Im Zuge der kontinuierlichen Innovationen im Automobilsektor entwickeln sich auch Fahrerassistenzsysteme (FAS) immer weiter. Diese erhöhen die Sicherheit auf der Straße und helfen Fahrern bei Aufgaben wie etwa parallelem Parken und Fahrspurausrichtung. Allerdings sorgen auch FAS dafür, dass Reparaturen teurer werden. FAS-Sensoren sind teilweise so in den Fahrzeugen verbaut, dass sie bei einem Unfall schnell getroffen werden - sie befinden sich beispielsweise an Stoßstangen, Außenspiegeln, Reifen und Felgen. Um sicherzustellen, dass die FAS auch weiterhin korrekt funktionieren, müssen sie kalibriert werden, was mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil bei Elektrofahrzeug-Reparaturen geworden ist. Diese Kalibrierung erfordert nicht nur eine gewisse Expertise, sondern verlängert auch die Reparaturdauer und erhöht damit die Kosten. Fixicos Daten zeigen, dass der Kalibrierungsprozess - je nach Bauteil und FAS - bis zu zwei Stunden mehr Zeit in Anspruch nehmen kann und bis zu 40 % teurer ist als Reparaturen ohne FAS.
3. Die Verwendung von Leichtbaumaterialien
Viele Elektrofahrzeuge enthalten verschiedene Material-Mischungen, die oft leichter und teurer sind. Denn: Je leichter das Auto, desto weniger Energie und Treibstoff wird für dessen Beschleunigung benötigt. Zudem liefern die europäischen CO2-Emissionsgesetze Vorgaben hinsichtlich der Materialien, die für neue Autos verwendet werden dürfen und an die sich die Hersteller halten müssen. Während Beulen in einer Stahlkarosserie früher noch einfach herausgeschlagen oder mit hohen Temperaturen entfernt werden konnten, würde der Einsatz von großer Hitze heutzutage schnell die Form verschiedener Karosserieteile ruinieren. Auch der Einsatz von Leichtbaumaterialien - Verbundwerkstoffe wie Aluminium, Magnesium und Stahlmischungen - in den Knautschzonen der Fahrzeuge sorgt für steigende Reparaturkosten. Diese absorbieren Energie besser als massiver Stahl. Mit einer besseren Energieaufnahme bei einer Kollision wächst aber auch der Umfang des Schadens. So ist es nicht selten, dass ganze Karosserieteile nach einem Unfall komplett ausgetauscht werden müssen.