Weltweit erster Hirnschrittmacher: Hoffnungsschimmer für Hundertausende Epilepsiepatienten

Für Hundertausende Epilepsiepatienten brechen unkontrollierbare Krampfanfälle wie ein unerwartetes Gewitter im Kopf plötzlich und ohne Vorwarnung über sie herein.

(c) EASEE

Etwa jeder Zehnte erlebt einmal im Leben einen epileptischen Anfall – ein Ereignis, das das Leben für immer verändern kann. Doch es gibt Hoffnung: Der EASEE®-Hirnschrittmacher, eine vielversprechende Innovation aus Heidelberg, kann helfen, die Anzahl der Anfälle deutlich zu reduzieren. 81 Prozent der behandelten Patienten setzten die Therapie über zwei Jahre fort, mit einer Reduktion der Anfallshäufigkeit um bis zu 68 Prozent. Als weltweit erster minimal-invasiver Gehirnschrittmacher zur Epilepsiebehandlung könnte er für viele Betroffene, bei denen Medikamente versagen, ein Stück Freiheit und Lebensqualität zurückbringen. Diese innovative Technologie hat das Potenzial, das "Gewitter im Kopf" zu beruhigen und neue Perspektiven für Patienten mit Epilepsie zu eröffnen.

Heidelberg/Berlin, 06.11.2024.Etwa zehn Prozent der Bevölkerung haben einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. Dieser entsteht, wenn Nervenzellen plötzlich willkürliche elektrische Impulse abfeuern. Wiederkehrend spricht man von einer chronischen Funktionsstörung des Gehirns, von der in Deutschland schätzungsweise 800.000 Menschen1 betroffen sind. Ein Drittel der Patienten spricht nicht ausreichend auf Medikamente an, was für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine ständige Quelle der Sorge ist. Die Möglichkeit eines plötzlichen Anfalls schwebt jederzeit über ihnen und beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich. Die Ungewissheit, wann und wo ein Anfall eintreten könnte, führt oft zu einer erheblichen Einschränkung im Alltag, da viele Aktivitäten nur unter strengen Vorsichtsmaßnahmen oder gar nicht mehr möglich sind. Der EASEE®-Hirnschrittmacher, eine minimalinvasive Innovation des Heidelberger Medizintechnikunternehmens Precisis, schenkt ihnen nun neue Hoffnung auf ein Leben mit deutlich weniger Anfällen. Die plötzliche und unvorhersehbare Natur der Anfälle sowie die Vielfalt der Formen und Ursachen machen Epilepsie zu einer besonders charakteristischen neurologischen Erkrankung, die sich deutlich von anderen unterscheidet,“ berichtet Dr. Möhlmann, Medical Director bei Precisis. Während eines Anfalls sei das Zusammenspiel der Nervenzellen gestört und überlaste das Gehirn mit so vielen Signalen, sodass der Körper sie nicht mehr verarbeiten könne. „Bei gesicherter Diagnose kommen in der Regel Medikamente, sogenannte Anfallssuppressiva, zum Einsatz. Doch nicht immer schlagen diese an“, fährt Dr. Möhlmann fort. Wo bislang Alternativen gefehlt haben, bietet das Unternehmen jetzt mit dem Taktgeber eine Möglichkeit für mehr Lebensqualität für Patientinnen und Patienten, die nicht oder nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen. Das MedTech Unternehmen aus Heidelberg forschte über sieben Jahre an einer minimalinvasiven Therapie, um das Leben hunderttausender Menschen positiv zu verändern.

Autofahren oder Sport nur ein Traum: Therapieresistente Epilepsie trifft viele

Etwa 30 Prozent der Epilepsiepatienten durchlaufen einen besonders langen Leidensweg: Bei ihnen wird die Diagnose „therapieresistente Epilepsie“ oft erst nach 16 bis 20 Jahren gestellt.2 „In dieser Zeit – für viele ein Viertel des Lebens – sind zahlreiche Medikamentenversuche erforderlich, die nicht nur die Hoffnung auf Besserung schmälern, sondern auch erheblich die Lebensqualität beeinträchtigen. Häufig ist dies begleitet von belastenden Nebenwirkungen“, so Dr. Möhlmann, Medical Director bei Precisis. Für diese Patienten, deren Alltag geprägt ist von der ständigen Angst vor dem nächsten Anfall, stellt jede Aktivität ein Risiko dar. So ist Autofahren nur dann erlaubt, wenn ein Patient mindestens ein Jahr anfallsfrei ist. Viele andere Aktivitäten wie Schwimmen oder Klettern erfordern besondere Vorsichtsmaßnahmen oder müssen ganz gemieden werden. „Diese Einschränkungen und die ständige Ungewissheit belasten die Lebensqualität stark und führen nicht selten zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen,“ so Möhlmann.

Ein Hirnschrittmacher für mehr Lebensqualität – EASEE®

Während herkömmliche Medikamente oft nicht die gewünschte Wirkung zeigen, hatten viele Betroffene bislang nur die Möglichkeit einer risikoreichen Operation. „Fakt ist: Nicht jede Person spricht auf Medikamente an“, erklärt Möhlmann. „Für Menschen, die an dieser pharmakoresistenten fokalen Epilepsie leiden, könnte der EASEE®-Hirnschrittmacher eine wesentliche Veränderung darstellen“, fügt er hinzu. Der EASEE® bietet eine minimalinvasive Alternative, die das Risiko eines umfassenden chirurgischen Eingriffs vermeidet und gleichzeitig potenziell eine Verbesserung der Symptome verspricht. Frühe klinische Studien zeigen ermutigende Ergebnisse: „81 % der behandelten Patienten setzten die Therapie über zwei Jahre fort, wobei die Anfallshäufigkeit schrittweise sank: um 33 % nach 12 Monaten und um bis zu 68 % nach 18 und 24 Monaten. Zudem traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf“, berichtet Möhlmann. In der DACH-Region hat der EASEE® bereits das Leben von über 100 Epilepsiepatienten verändert. Für viele weitere Menschen könnte diese technologische Innovation eine bedeutende Veränderung ihres Lebens bedeuten. Statt in ständiger Angst vor dem nächsten Anfall zu leben, erhalten sie die Möglichkeit, ihre Freiheit und Selbstbestimmung durch den EASEE®-Hirnschrittmacher zurückzugewinnen.

Medizinische Innovation aus Deutschland: Heidelbergs MedTech Hub

EASEE® (Epicranial Application of Stimulation Electrodes for Epilepsy), entwickelt von der Heidelberger Precisis GmbH, ist das Ergebnis siebenjähriger intensiver Forschung. Als weltweit erster minimal-invasiver Gehirnschrittmacher zur Epilepsiebehandlung wird er unter die Kopfhaut implantiert, ohne den Schädel zu öffnen. Seine einzigartige Elektrodenkonfiguration, basierend auf der Laplace-Anordnung konzentrischer Kreise, ermöglicht eine tiefe Stimulation des Gehirns trotz der Schädelbarriere. Das System nutzt ein duales Wirkprinzip: hochfrequente Pulse alle zwei Sekunden zur akuten Anfallsunterbrechung und tägliche 20-minütige Gleichstrom-artige Phasen zur langfristigen Neuromodulation übererregbarer Hirnareale. Precisis, spezialisiert auf gerätegesteuerte Hirntherapien, wurde für diese Innovation vom Europäischen Innovationsrat (EIC) gefördert, was die Bedeutung von EASEE® in der Epilepsiebehandlung unterstreicht.

Quellen:

1.  Pfäfflin, M., May, T. W., Adelmeier, U., & Stefan, H. (1997). Prävalenz, Behandlung und soziale Aspekte von Epilepsien in Deutschland – Erste Ergebnisse einer epidemiologischen Querschnittsstudie (EPIDEG-Studie). Epilepsie-Blätter, 10, 15-20.

2. Kwan P, Arzimanoglou A, Berg AT, et al. Definition of drug resistant epilepsy: consensus proposal by the ad hoc task force of the ILAE commission on therapeutic strategies. Epilepsia 2010;51:1069–77.

3. https://precisis.de/de/